Ziele in Bezug auf den Körper

„Bewegung ist Leben und die Qualität der Bewegung eines Menschen zeigt uns auch die Qualität seines Lebens.“
Der Mensch bekommt beim passiven Sitzen auf dem Pferd pro Schrittfolge 90–120 Bewegungsimpulse an sein Gehirn geliefert. Viele beeinträchtigte Menschen stehen hier vor einer Herausforderung.

Sie müssen diese Bewegungsimpulse aufnehmen und verarbeiten. Hier ist mein Einfühlungsvermögen gefragt. Ich muss dem Menschen die Zeit geben, die er benötigt, um diese Erfahrungen zu sammeln. Weitere Animationen zu speziellen Übungen sind in dem Moment nicht sinnvoll.

Die Taktfolge eines im Schritt gehenden Pferdes entspricht in etwa dem Herzrhythmus des Menschen, was in vielen Fällen zur Beruhigung und Entspannung verhilft. Hyperaktive oder aggressive Menschen kommen in dem Moment, in dem sie auf dem Pferderücken sitzen zur Ruhe, was auch mit der durch das Reiten ausgelösten ruhigeren Atmung zusammenhängt.

Ebenso wird das Lösen von Spastiken auf dem Pferderücken gefördert.

Ein wichtiger Punkt ist auch Mobilität zu vermitteln, die viele Menschen aufgrund von körperlichen Einschränkungen nicht besitzen. Menschen die beispielsweise auf den Rollstuhl angewiesen sind, oder aufgrund von Spastiken keine eigenen Laufbewegungen vollziehen können, wird  über das Pferd eine alternative Fortbewegungsmöglichkeit angeboten. Mobilität eröffnet uns ungeahnte Möglichkeiten des Sehens- und Gesehen-Werdens. „Wo du nicht zu Fuß gewesen bist, bist du nie richtig angekommen.“ Dies gilt besonders für Kinder, da sie gerade erst dabei sind Fuß in dieser Welt zu fassen. Viele Kinder, die die Realität als Inseln erleben (zu Hause – Kindergarten – Einkaufszentrum - …), erfahren die Welt außerhalb des Fahrzeuges als einen Film. Sie erleben ein quantitatives Erfassen, sprich ein Anhäufen vieler verschiedener unzusammenhängender Lebenswelten. Das Gehen dagegen, mit beiden Beinen bzw. mit den vier Beinen des.

Pferdes die Welt zu durchschreiten, ist das qualitative Erfassen der Welt.

Zitat von Moshe Feldenkrais aus „Kinder mit Pferden stark machen“ S. 47 von I.M. Pietrzak

Die heutige Form der Mobilität im Alltag zwingt die Bevölkerung zur Bewegungslosigkeit, es werden Wege aufgehoben und Ziel an Ziel gesetzt. Pferde sind die Lehrgefährten der menschlichen Mobilität.

Durch Zähmung und ihre Bereitschaft, uns und unsere Lasten zu tragen, wurde es dem Menschen von früher möglich, Grenzen hinauszuschieben und Entfernungen zu überwinden. Heute führen sie uns zurück zu maß- und taktvoller Beweglichkeit. Der Aufforderungscharakter richtet sich an den Menschen in seiner Ganzheit. Nur so ist nachhaltiges Lernen möglich.

Kinder, die sich im Alltag häufig aufgrund ihrer Beeinträchtigungen eher langsam bewegen, erleben auf einem etwas schnelleren Pferd, wie es sich anfühlt, die gesamte Gruppe anzuführen, oder auch Hindernisse, wie auf dem Boden liegende Stangen, zu überwinden.

Das Pferd verstärkt durch seine Bewegung die Eigenbewegungserfahrung, und in dem Moment, wo sich Harmonie in der Übereinstimmung der Bewegung herstellt, wird auch die Freude erfahren. Menschen, die anfangs die Bewegung des Pferdes nicht annehmen können, sondern durch Anspannen der Beckenmuskulatur versuchen, die Bewegung fern von sich zu halten, werden durch die stark auflockernde Wirkung des Pferderückens zu einem gelösten Bewegungsablauf gebracht.

Übungen auf dem Pferderücken bedürfen immer einer Bewegungsvorstellung, -planung und –durchführung. HPR/V ist eine Herausforderung an die Koordinationsfähigkeit. Dies bedeutet Körperbeherrschung und setzt immer einen Lernprozess im Gehirn voraus. Der Bewegungsablauf will geplant, erfasst, verstanden, vorgestellt und ausgeführt werden. Es werden beide Körperseiten und damit auch beide Hirnhälften gleichermaßen herausgefordert.

In unseren Breitengraden ist die linke Hirnhälfte und damit rechte Körperseite die besser trainierte (Rechtshänder). Linkshirnig wird analysiert, ist die Sprache angesiedelt und werden Zeit und Bewusstsein gespeichert. Rechtsirrig ist unsere Intuition, bildliche Vorstellung, das Unbewusste und das ganzheitliche Denken, welches sich in der linken Körperhälfte Ausdruck verschafft. Diese beiden Hemisphären werden durch den sogenannten Balken getrennt. Je häufiger der Balken überschritten wird und somit linke und rechte Hirnhälfte zusammenarbeiten, umso besser ist das Ergebnis bei der zu bewältigenden Aufgabe. Das Überschreiten des Balkens geht auf der Körperebene mit dem Überkreuzen der Arme und Beine einher.

Das Pferd gibt beim Laufen ein dreidimensionales Schaukeln und Schwingen an seinen Reiter ab, das der physiologischen Gangbewegung des Menschen entspricht. Hierbei wird das vestibuläre Sinnessystem angesprochen. Die vestibuläre Stimulation hat den Sinn, Freude zu erregen und negative Gefühle zurückzudrängen. Daher spricht diese Form von Stimulation viele Kinder besonders an. Z.B. das Fahren auf einem Karussell, das Schaukeln oder das Drehen um die eigene Achse macht sie glücklich.

Die innere Haltung des Reiters spiegelt sich in seinem Äußeren wider. Indem man sich die äußere Haltung bewusst macht, ist es möglich Änderungen herbei zu führen. Es arbeiten das Innere, die Gefühle und die Wahrnehmung zusammen.

Durch hart angespannt Gesäßmuskeln, bewegt sich der Reiter wie ein Flummi auf dem Pferd. Dies empfindet das Pferd als unangenehm und versucht durch fleißigeres Vorwärtsgehen dem Druck zu entkommen. Nach dem Entspannen der Muskulatur, und dem daraus langsamer werdenden Pferd, ist die Reaktion des Pferdes für den Reiter nachvollziehbar.

Ein wichtiger Bereich ist auch die Wahrnehmung, da diese bei vielen Menschen beeinträchtigt ist. Gründe hierfür sind z. B. die allgemeinen Lebensumstände, die zunehmende Überlebenschance bei Risiko- und Frühgeburten durch die medizinischen und technischen Fortschritte und die genauere Erforschung, Beschreibung und Fokussierung auf den Bereich der Sinnesfunktionen.

Reiten fördert eine bessere Wahrnehmung für die Bedürfnisse und die Befindlichkeiten des eigenen Körpers. Das Pferd wird eingesetzt, um verschiedene Prozesse in Gang zu setzen. Der Mensch soll dabei mit all seinen Sinnen das Pferd als Lebewesen wahrnehmen und sein Wesen, seinen Körper und seine Bewegungen in Erfahrung bringen. Es hilft den Menschen, ihre Defizite in der Selbst- und Fremdwahrnehmung aufzuholen und stabilisiert ihr Selbstwertgefühl. Die kindliche Entwicklung ist an umfassende Bewegungserfahrungen und reichhaltige Sinneseindrücke gekoppelt. Ein wirkliches Erlebnis bewegt von außen in vielerlei Hinsicht und bewegt damit auch das Innere des Menschen. Das Pferd fordert immer wieder zum direkten Vertrauen auf, und auch es selbst möchte stets seinem Reiter vertrauen können. Nur so ist ein harmonisches Miteinander möglich. Das Tier erzieht mit seinem empathischen Verhalten und ersetzt stückweit die Bezugspersonen.

Ebenso lernen Menschen, die einen Mangel an Zielstrebigkeit und Selbstbewusstsein besitzen, und somit Schwierigkeiten haben, die Führung zu übernehmen bzw. den Weg zu bestimmen, diese Barriere zu überwinden. Pferde bedürfen einer klaren und konsequente Ansprache und der Vorgabe von nur einem Weg. Ist dies nicht der Fall, fällen sie selber Entscheidungen und handeln nach ihrem eigenen Willen.

Das Sozialverhalten der Pferde ähnelt in weiten Bereichen dem des Menschen. Im Gegensatz zum Menschen reagieren sie auf ihr Gegenüber jedoch immer unbestechlich und authentisch. So haben die Reiter mit den Pferden verschiedene Kontaktmöglichkeiten, frei von Erwartungen und Vorurteilen. Da Pferde sich durch Körpersprache mitteilen, müssen sie aktiv beobachtet und es muss sich in ihr Wesen eingefühlt werden. Ihre Reaktionen sind gleich bleibend und dadurch berechenbar. Sie sind nicht nachtragend und sind immer im Hier und Jetzt. Somit sind Pferde ein Vorbild und Anregung für neue, soziale Erfahrungen. Auch kann ein Pferd eine Menge anderer Bedürfnisse befriedigen, wie z. B. positive Zuwendung, Wärme und Hautkontakt.